Constanze Lindner Haigis führt durch Die Neue Sammlung
Seit einigen Jahren bereits begleite ich die Kunsthistorikerin und Archäologin C. L. Haigis (www.lustaufkunst.net) durch die Münchner Museen und Galerien. Auch Stadtführungen mit ihr ermöglichen einen ganz neuen Einblick in die Geschichte und Entstehung der Stadt. Immer wieder bin ich beeindruckt von ihrem umfassenden Wissen, das sie anhand der Kunstobjekte mit Geschichten aus der Entstehungszeit vermittelt und durch erschreckende, faszinierende und lustige Anekdoten den Zuhörern nahebringt.
Am 09.01.2020 führte C. L. Haigis eine Gruppe von 15 Creative Ladies durch Die Neue Sammlung in der Pinakothek der Moderne.
Auf Spurensuche nach den Frauen
Wir begaben uns auf Spurensuche nach den Designerinnen in der Ausstellung. Und es gibt sie! Gleich zu Beginn auf den Stufen ins Untergeschoss werden die Besucher von einem überdimensionalen Regal beeindruckt, das Zaha Hadid (* 1950 Bagdad, † 2016, Miami) entwarf. Auch den riesigen Pater Noster entwarf die Architektin, die durch ihre organische Architektursprache bekannt wurde.
Schwarze Zahlen durch Frauenpower
Ein großer Bereich der Ausstellung widmet sich der Zeit des Bauhaus und seinen Mitgliedern. Der Lehrbetrieb am Bauhaus war in verschiedene Werkstätten unterteilt. Trotz seines progressiven Kunst- und Architekturverstehens, herrschten am Bauhaus die festgelegten Rollenbilder. Frauen besuchten für gewöhnlich die Weberei und Keramikwerkstatt und machten damit die kommerziell erfolgreichste Abteilung der Schule aus. Im Vergleich zur Tischlerei und Metallwerkstatt schrieben die Damen nämlich schwarze Zahlen.
1919 beginnt Gunta Stölzl (* 1897, München, † 1983, Männedorf, CH) ihre Ausbildung zur Weberin und Textildesignerin am Bauhaus. Nach ihrer Zeit an der Königl. Kunstgewerbeschule München und ihrem Dienst als Rotkreuzschwester während des Ersten Weltkrieges wird die Lehrertochter die einzige Meisterin in der Geschichte des Bauhaus. 1920 wird ihre Weberei zur „Frauenklasse“ ernannt und spiegelt so die vorherrschenden Vorurteile wieder. Bis heute sind ihre Wandbehänge Bestand internationaler Kunstsammlungen.
Im Schatten der Meister steht meist eine Meisterin
Das amerikanische Designerduo Charles und Ray Eames betreiben bis zum Tod von Charles das Eames Office. Neben dem bekannten Lounge Chair entwickeln sie La Chaise und die vielfach von Vitra reproduzierten Fiberglas Stühle DSW, RAR, DAR, LAR, DSX. Während ihr Mann Charles zu Lebzeiten als wegweisender Designer gefeiert wird, würdigt man die kreativen formgebenden Ideen von Ray Eames erst postum. Es zeigt sich, dass sie das kreative Genie hinter seinen technisch innovativen Umsetzungen war. Auf dem Vitra Campus in Weil am Rhein kreuzt erst seit 2012 die Ray-Eames-Straße die bereits seit 1989 existierende Charles-Eames-Straße.
Das Genie Margaret MacKintosh
Der Satz „Design reproduziert gesellschaftliche Machtverhältnisse. Dazu zählen auch die Geschlechterrollen. Die meisten bekannten Designer sind Männer.“ – plakatiert die Wände der Ausstellung.
Bei Designerehepaaren wie den MacKintoshs steht Margaret (* 1864, Tipton, † 1933, London) im Schatten ihres Mannes und das obwohl dieser sie zu Lebzeiten hochleben lässt: „Margaret has genius, I have only talent.“ Die schottische Künstlerin besuchte als eine der ersten Frauen die Glasgow School of Art und eröffnete 1890 mit ihrer Schwester das MacDonald Sister Studio. Zusammen mit Charles und Herbert MacNair gründet sie die Künstlergruppe „The Four“, die die schottische Schule des Jugendstils prägte.
Reflektion
Wunderschöne Produkte, die uns noch 100 Jahre später gefallen, zeugen von mutigen, visionären Designern und Designerinnen. Talent, Kreativität und visionäres Denken ist nicht einem Geschlecht vorenthalten. Während 1883 Künstlerinnen auf Eigeninitiative die Damenakademie in München gründeten, da die deutsche Kunsthochschule Frauen den Zutritt verwehrte, können heute Frauen und Männer gleichermaßen alle Studienfächer und Ausbildungen in Deutschland genießen.
„Was können wir beitragen, um der Ungleichbehandlung der Geschlechter weiter entgegenzuwirken?“