FV2 Architektur Zirkulaeres Bauen

Zirkuläres Bauen – Zukunftsfähiges Prinzip mit neuer Ästhetik

Bestand ist wertvoll

In unseren Bestandsgebäuden liegt ein noch weitgehend unterschätztes Potenzial. Neben emotionalen Werten sind im Bestand graue Energie und vor allem verbaute Materialien gebunden.
Der Abbruch von Bestand geht damit auch mit einer Verschwendung von Materialien und dem Erzeugen von Abfall einher. Mit der bisherigen Praxis ist die Bauwirtschaft verantwortlich für 35-40% aller klimaschädlicher Emissionen und 60% des weltweiten Ressourcenverbrauchs.
Das Gebäudeenergiegesetz trägt dabei nur bedingt zu einer Lösung des Problems bei. Denn dabei wird ausschließlich das Reduzieren der Betriebsenergie verfolgt. Aspekte wie der Verbrauch von grauer Energie und die damit verbundenen Treibhausgasemissionen sowie der Aufwand für Erstellung und Entsorgung werden außer Acht gelassen.
Das Prinzip des zirkulären Bauens zeigt einen Lösungsweg auf, um weniger Ressourcen zu ver(sch)wenden und Emissionen zu reduzieren. Anstatt neue Rohstoffe zu nutzen, wird auf das bereits Vorhandene zurückgegriffen und der Wert der bereits verbauten Baustoffe erhalten.

 

FV2 Architektur Zirkulaeres Bauen Abbruch von Bestand Materialverschwendung und Abfall als sichtbare Herausforderung

Abbruch von Bestand: Materialverschwendung und Abfall als sichtbare Herausforderung

Werterhaltender Rückbau

Während bisher zum Erhalt des Bestands meist nur die Sanierung und das nachträgliche Dämmen herangezogen werden, stellen im Sinne eines werterhaltenden Rückbaus Weiternutzung und Wiederverwertung der Baustoffe weitere mögliche Maßnahmen dar.
Der Lebenszyklus der Materialien wird im Kreislauf verlängert und damit Ressourcen geschont. Die langfristige Zielsetzung ist die Wiederverwendung der Baustoffe im technischen Kreislauf oder der vollständige Abbau im biologischen Kreislauf. Statt verbaute Baustoffe als Abfallmaterial zu sehen entsteht ein neuer ästhetischer Wert und neue Gestaltungsmöglichkeiten in der Wiederverwertung. So können diese bei der Verarbeitung zu einem anderen Baustoff eine neue Form und Haptik annehmen.
In diesem Zusammenhang steht auch das Cradle-to-cradle-Prinzip. Dabei bleiben die Rohstoffe eines Produktes nach der Nutzung im Kreislauf und können vollständig, von der „Wiege zur Wiege“, wiederverwendet werden ohne das Abfall entsteht. Ein Produkt, das nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip zertifiziert ist, ist das Schaltersystem LS990 der Firma Jung in glänzend weiß.
Weitere Beispiele für Recyclingbaustoffe sind Glaskeramikplatten aus Glasabfällen, die vielfältig als Boden- oder Wandbelag sowie als Küchenarbeitsplatte verbaut werden können.
Die begrenzt zur Verfügung stehenden Baumaterialien stehen einer ästhetischen Gestaltung nicht entgegen, sondern schaffen Ansporn für innovative Lösungen.

Bei der Abwägung des Abbruchs oder Umnutzung eines Gebäudes kann statt dem üblichen Entweder-Oder-Denken auch eine Zwischenlösung wie ein teilweiser Rückbau und die Weiternutzung des Restbestands sinnvoll sein. Jeder Erhalt des Bestands auch durch minimal invasive Maßnahmen tragen dazu bei, Emissionen und Ressourcen einzusparen.

 

FV2 Architektur Zirkulaeres Bauen Wiederverwendung der Baustoffe im technischen Kreislauf oder vollständiger Abbau im biologischen Kreislauf

Wiederverwendung der Baustoffe im technischen Kreislauf oder vollständiger Abbau im biologischen Kreislauf

 

Zirkuläres Planen

Zirkuläres Bauen beginnt bei der Umsetzung von Bauprojekten bereits in der Planung. Wichtige Parameter in der Umsetzung der Kreislauffähigkeit sind die Wahl der Materialien und deren verbundfreie Fügung zur späteren Rückbaubarkeit. Entwürfe müssen dabei so entwickelt werden, dass von der Herstellung über den Betrieb und Umnutzung bis zum Rückbau soweit wie möglich wenig Abfall entsteht. Plant man Bauteilaufbauten, wie zum Beispiel den Bodenaufbau verbundfrei mit einen Trockenestrichsystem, lassen sich die einzelnen Platten und Bauteile einfacher wieder trennen, sodass diese recycelt oder direkt wieder verwendet werden können.
Das Mitdenken der Flexibilität, Multinutzung und Umnutzung von Raumstrukturen sind ebenfalls Faktoren die im kreislauffähigen Bauen berücksichtigt werden müssen.

Wirtschaftlichkeit im Zirkulären Bauen

Auch wirtschaftlich kann die Weiternutzung und Wiederverwertung von Vorteil sein. Dabei können recycelte Materialien unter Berücksichtigung der Entsorgungskosten den neu hergestellten Baustoffen überlegen sein. Durch die Wiederverwendung entfallen Entsorgungs- und Deponiekosten und auch im Hinblick auf die zukünftig möglich steigende CO² Bepreisung gewinnt zirkuläres Bauen immer mehr an Bedeutung.
Auch digitale Plattformen tragen zu einer wirtschaftlichen Wiederverwendung von Baustoffen bei, indem sie prozessorientiert Baumaterialien katalogisieren, die sich auf dem Markt befinden. Im Online-Shop der Unternehmens Concular können bereits verwendete Baustoffe und Produkte bezogen werden, die unter anderem Plattenmaterialien, Badkeramik, Fenster und Türen umfassen.

Dokumentieren der Kreislauffähigkeit

Um die Rückbaufähigkeit eines Gebäudes bewerten zu können, gewinnt die Dokumentation von verbauten Bauteilen an Relevanz. Als Werkzeug hierzu dient der Gebäuderessourcenpass, der Auskunft über das Potenzial der Kreislauffähigkeit der Materialien und die im Gebäude gebundenen CO²-Emissionen gibt. Es wird dokumentiert in welcher Menge, Qualität, Fügungsart, Lebensdauer, usw. Baustoffe verbaut sind. Dabei dient der Gebäuderessourcenpass auch zur Ermittlung des finanziellen Wertes der verbauten Baumaterialien.

 

FV2 Architektur Zirkulaeres Bauen Geplante Umsetzung in verbundfreier Massivholzbauweise – ein nachhaltiges Konzept mit lokalen Partnern

Projekt BEIL: Geplante Umsetzung in verbundfreier Massivholzbauweise – ein nachhaltiges Konzept mit lokalen Partnern

 

Lokale Strukturen

Bauen ist ein gemeinschaftlicher Prozess, der besonders beim zirkulären Bauen die Kooperation zwischen Planungsfirmen und ausführenden Gewerken fordert.
Damit Materialien aus dem Bestand den Anforderungen im Neubau gerecht werden können, müssen diese vor ihrer Wiederverwertung geprüft und aufbereitet werden, womit sich neue Aufgabenfelder ergeben.
Größere Aufmerksamkeit sollte dabei auf lokale Strukturen gelegt werden, die erneut Ressourcen und Emissionen sparen und dabei die regionale Wirtschaft stärken. Einige Firmen legen ihre Ausrichtung bereits auf das zirkuläre Bauen, indem sie Aufbereitungsplätze und Materiallager bereitstellen, sodass der Prozess von Rückbau bis zum Wiedereinbau in einer Hand liegt. Diese Strukturen tragen zur Wirtschaftlichkeit bei und erhalten durch die Reparatur den bestehenden Wert des Materials mit seinen gebundenen Ressourcen, Emissionen und Veredelungen.

Bei unserem Projekt BEIL arbeiten wir bewusst mit lokalen Baufirmen zusammen und planen mit regionalen Produkten. Die Außenwände verbundfrei in Massivholzbauweise und mechanischen Verbindungen umgesetzt.
Hier können sie mehr zum Projekt BEIL und der Bauweise erfahren.

Mit der voranschreitenden Weiterentwicklung von strukturellen und materiellen Lösungen innerhalb des zirkulären Bauens können Prozesse zukünftig vereinfacht und Materialkosten gesenkt werden. Auch aus gestalterischer Sicht werden neue Wege eröffnet und eine neue Ästhetik durch die neuen Anforderungen unserer Zeit geprägt.